Montag, 24. Januar 2011

Du fehlst

Ein wolkenbehangener aber trockener Sonntag. Der Rucksack klirrte auf meinem Rücken. Es ging los. Zuerst ohne Ziel durchwanderte ich die Stadt, die ich so liebe. Rückblickend schwer zu sagen, ob mir dabei andere Menschen entgegenkamen. Denn die hätte ich sicherlich ohnehin nicht wahrgenommen, denn meine Gedanken waren auf jemand besonderen gerichtet:

Ein Freund aus alten Tagen, mit dem ich viel Zeit verbracht hatte.
Der mir sämtliche Filme, die wir nachher zusammen schauten , aus der Videothek auslieh, weil er schon volljährig war.
Ein Freund, der oft tollpatschig war, sich aber niemals zu ernst nahm.
Außerdem ein Vollprofi, der es perfekt beherrschte, peinliche Situationen als vollkommen normal abzutun.

Ich holte mir ein Bier aus dem Rucksack.
"Sauwetter", dachte ich. "Na wenigstens regnet es nicht".

Während ich versuchte, mir den Tag schön und meine Gedanken bunt zu trinken, schlug ich eine Richtung ein, die eigentlich gar nicht auf meinem Plan stand.

Ich wollte meinen Freund wiedersehen. "Besuch ihn doch einfach mal" hatte mir seine mittlerweile verstorbene Mutter gesagt. "Er wird sich bestimmt freuen". Genau das war jetzt meine Mission.
Ihn einfach besuchen gehen.
Es könnte ja schließlich nichts passieren.
Wir könnten über die alten Zeiten sprechen, uns vielleicht einen Film ausleihen, durch die Straßen unserer Stadt spazieren.

Ich öffnete eine weitere Flasche.
Der Rucksack klirrte lauter als bisher, nachdem ich die letzte Flasche wieder darin verstaut hatte, und ich bemerkte, daß ich sein frisches Grab gefunden hatte.
Ich glaube, es gibt bis heute keinen Grabstein.
Ich erkannte es dennoch an den überschaubaren Abschiedsgrüßen.
Mit Tränen in den Augen sagte ich etwas wie "Ich liebe Dich" oder "Du fehlst mir".


In genau diesem Augenblick setzte der Regen ein.


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